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Tagebuch der Duftlosigkeit









Tag 1, Montag

Heute habe ich mein positives Testergebnis bekommen. SARS-CoV-2 (RT-PCR): !Nachweisbar! Nüchtern betrachtet: kein Problem. Ich wurde drei Mal geimpft, bin kerngesund und gehe wenig aus dem Haus. Die Krankheit würde ich als leichte Erkältung ablegen, wenn ich gestern am Morgen den roten Ausschlag nicht bemerkt hätte. Weder die Temperatur bis maximal 38.5℃ am Freitag abend, noch das Kratzen im Hals und leichte Müdigkeit am Samstag haben auf das Coronavirus hingewiesen. Jetzt ist es also amtlich bestätigt. PS: Glacé ist herrlich!

Tag 2, Dienstag

Ich bekomme Schnupfen. Nicht besonders viel, aber es stresst. Zum Glück habe ich zu Hause immer eine Vorratskammer voll Papiertaschentücher und Toilettenpapier, eine Lehre aus der Zeit des ersten Lockdowns. Ich rieche nichts, aber Sauerkirschen-Glacé schmeckt köstlich.

Tag 3, Mittwoch

Keine Lust aufs Essen. Ich versuche es mit Limetten-Glacé. Keine Reaktion. Das heisst: ich schmecke zwar süsse Speisen, es ist kalt und hart, aber welche Sorte es ist, das kann ich nicht erraten. Der Geschmack konzentriert sich auf «süss». Salz schmecke ich auch, bittere Note im Chicorée-Salat kann ich auch wahrnehmen, aber alles andere nehme ich nicht wahr.

Tag 4, Donnerstag

Ich probiere es mit meinem Lieblingsparfüm: Un Jardin sur le Nil mit seinem frischen Duft vom grünen Mango, süssem Lotus, mit leicht harzig-bitterer Note von Weihrauch und balsamisch-würziger Kalmuswurzel. Nichts! Keine Spur von Reaktion. Meine Riechzellen sind tot. Bevor ich mich jedoch für «nasentot» erklären lasse, probiere ich noch Elie Saab Le Parfum, vielleicht kann frischer Neroli, der schwere Jasminduft, der erdig-schwere Patschouli oder das balsamisch-warme Zedernholzöl mein Duftempfinden retten? Falsch, ich rieche nichts. Mit Pure Poison von Dior versuche ich es mit den leichten Duftnoten von Limette, Orange und mit stimmungserhellenden, lieblichen Noten von Gardenie, Jasmin und Neroli an meine Riechzellen zu kommen. Der Duft vom weissen Amber und warmem, holzigem Sandelholz soll meine Stimmung mindestens erhellen, oder? Nichts. Alles tot.

Tag 5, Freitag

Knoblauchbrot schmeckt wie amerikanisches Toastbrot. Ich beschliesse, Diät zu machen. Unfreiwillig. Gehört Glacé zu Diätprodukten?


Tag 6, Samstag

Grillfest bei Nachbarn unten. Der Rauch hinterlässt nur noch brennende Augen. Wieder geht ein Genusstag verloren.


Tag 7, Sonntag

Ich will raus! Komisch, alles ist geruchsneutral. Ein idealer Tag, um im überfüllten Bus in die Stadt zu fahren. Zum Glück ist der Kaffee auf dem Markt immer noch heiss.


Tag 8, Montag

Waschtag. Ich wasche alles, was unter der Woche liegengeblieben ist. Sauber sortiert bringe ich alles in die Waschküche und lege Waschstreifen in die Trommel. Welche? Weiss ich nicht. Es riecht nicht, es muss nur sauber werden. Ein Entscheidungsschritt weniger, ein Gewinn für die Allgemeinheit.


Tag 9, Dienstag,

Heute ist der Waschtag meiner Nachbarin. Sie benutzt sehr stark riechende Waschmittel, das Treppenhaus, die Waschküche und Lift sind «Duft»-geschwängert. Heute stört mich der Duft nicht, heute bin ich von dieser Last befreit. Ich kann es nur erahnen, weil es Dienstag ist. Heute bin ich wunschlos glücklich mit meiner Anosmie (Anosmie bedeutet einen vollständigen Verlust des Geruchssinns). Danke, Coronaviren!


Tag 10, Mittwoch

Heute bin ich beim Coiffeur. Die Chemikalien machen mich immer krank: Ammoniak in Haarfarben, stark duftende Haarpflegemittel und die Parfümwolken, die fast jede Kundin mit sich bringt, ergeben eine höllische Mischung, die mein Geruchssinn lähmt (mein Gehirn auch!). Heute himmlische Ruhe beim Besuch im Salon. Kein störender Geruch, keine Kopfschmerzen nach der langen Visite. COVID, you are the best!


Tag 11, Donnerstag

Heute probiere ich verschiedene ätherische Öle aus, zuerst die leichten Zitrusnoten: Limette, Zitrone, Orange – Duftwahrnehmung sehr leicht, bei Grapefruit – Limonen nehme ich stärker wahr, in Fichtenöl ist fast nur Pinene wahrnehmbar, Gewürznelke rieche ich nur schwach, aber der Duft selbst ist eindeutig da, Zitroneneukalyptus ist vollständig wahrnehmbar, aber sehr schwach. Bei Rosmarin CT Cineol ist nur die Note der Pinene vorhanden. Ich versuche jetzt die «schweren» Duftöle: Rose (bulgarisch) schmeckt nach süsser Zuckerwatte, Vanille nehme ich wie Benzoe schwach wahr, es ist kein Unterschied zwischen den beiden Duftölen feststellbar. Weihrauch schmeckt scharf und irgendwie «sauer», Cajeput weckt bei mir ebenfalls solche Empfindungen wie Weihrauch, dabei Cineol, Pinene und Terpineol vom Cajeput sind mit Cedrenen und Cedrol nicht identisch. Sehr enttäuscht bin ich von Bergamottminze: neben Hauch von Linalool und Linalylacetat ist der Menthofuran ganz verschwunden, daraus resultiert ein milder, fader Geruch.


Tag 12, Freitag

Heute bei einem Freund zu Besuch gewesen. Es wurde in der Runde viel diskutiert, herzhaft gelacht und wir haben sogar Zukunftspläne geschmiedet. Die Themen gehen uns ja nie aus! Einiges habe ich bemerkt: meine geliebte Champagner-Marke schmeckt wie Sodawasser mit Alkohol, Rotwein fühlt sich wie Traubensaft an. Bei scaloppine al limone habe ich endlich die Zitrone schmecken können. Glacé schmeckt immer noch ausgezeichnet.


Tag 13. Samstag

In der Stadt war am Morgen nicht viel los. Ausverkauf im Sommer ist für Menschen mit Anosmie eine Wohltat. Man nimmt kein Schweissgeruch im Zug wahr, keine unangenehmen Ausdünstungen in den Kabinen bei Anproben, nicht mal die Kebab-Bude stinkt. Dabei fällt mir ein: ich merke seit Tagen nicht, wie es um meine eigene «aromatische Aura» steht. Vorsichtshalber wasche ich mich drei Mal am Tag und habe ein starkes, unparfümiertes Deo gekauft. Sicher ist sicher.


Tag 14. Sonntag

Gerade einen Riechtest gemacht. Zuerst die leichten Kopfnoten, also fing ich mit Zitrusnoten an: Grapefruit, Limette, Zitrone, Orange – kann ich voneinander unterscheiden, aber der Geruch ist noch schwach, obwohl ich reine ätherische Öle auf die Duftstreifen aufgetragen habe. Bei Wacholder und Fichte sind Terpene und Pinen sehr gut wahrnehmbar, der Duft selbst kommt irgendwie schwach an. Zum Glück sind Gewürznelke, Zitroneneukalyptus und Cajeput stärker wahrnehmbar. Bei Rosmarin CT: Cineol, Verbenon und Borneon/Kampfer ist der Duft zwar schwach, aber ich kann die Unterschiede wahrnehmen. Leider kann ich bei Bergamottminze nur Linalool und Geraniol, keine Cineol- oder Menthofuran-Noten erkennen, Lavendel schmeckt nach gar nichts. Grosse Probleme habe ich mit Fussnoten: Rose (Mairose, türkisch, bulgarisch und Rose Absolue) ist sehr schwach und eher in den sauren Duft-Nuancen angesiedelt, Vanille und Benzoe riechen gleich süss und etwas süsslich. Zum Glück kann ich jetzt Weihrauch/Olibanum in vollen Zügen geniessen, ich liebe diesen scharf-bitter-sauren Duft der Boswelliasäuren so sehr. Sehr enttäuscht bin ich von Bergamottminze: neben Linalool und Linalylacetat ist der Menthofuran ganz verschwunden, daraus resultiert ein fader, milder Geruch. Alles in allem: meine Nase macht Fortschritte. Wenn sie selber auch ein Training mit ihrer Nase machen möchten, empfehlen wir ihnen unser Riechset mit 4 oder 7 Duftstoffen. https://www.duftkommunikation.com/product-page/kopie-von-riechtraining-set-basis-set-mit-7-duftstoffen https://www.duftkommunikation.com/product-page/riechtraining-set-basis-set-mit-4-duftstoffen




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